Wahrnehmungsförderung – Teilleistungsförderung

Wahrnehmungsförderung – Teilleistungsförderung

Unter Wahrnehmung wird die sinnvolle Verarbeitung von Reizen verstanden. Wahrnehmung ist das Ergebnis eines komplexen Informationsverarbeitungsprozesses.
Sie beginnt sich bereits im Mutterleib zu entwickeln. Das ungeborene Kind nimmt sich selbst und seine Umwelt innerhalb und auch außerhalb des Mutterleibes wahr.
Die so genannten Nahsinne entwickeln sich vor allem vor der Geburt, während die Fernsinne nach der Geburt ausgebildet werden. Die Entwicklung des Sehsinns ist beispielsweise erst mit etwa 7-8 Jahren abgeschlossen.

Was bedeutet Nahsinne?

Die Aufgabe der Nahsinne oder Basissinne ist das Erleben von Reizen, die wir selber setzen. Für die Reizaufnahme stehen Rezeptoren (Sinne) zur Verfügung.
Dazu gehören:

  1. die Haut (taktile Wahrnehmung)
    Die Haut braucht bereits pränatal den längsten Zeitraum zur Ausreifung und ist im ganzen Leben von größter Bedeutung. Sie liefert Informationen über Temperatur, Feuchtigkeit und Oberflächenbeschaffenheit.
  2. das Gleichgewicht (vestibuläres System)
    Die Lage, Richtung und Geschwindigkeit werden bestimmt. „Mit sich selber im Gleichgewicht zu sein“ beinhaltet neben dem motorischen Gleichgewicht auch das psychische und das emotionale Gleichgewicht. Selbstbestimmung ist hier ein zentrales Thema.
  3. die Tiefenwahrnehmung (propriozeptives System)
    Informationen aus Muskeln, Sehnen und Gelenken über Bewegung, Druck und Zug. Eigen- und Bewegungswahrnehmung.
  4. der Geschmack (gustatorische Wahrnehmung)

Erst wenn die Basissinne gut miteinander arbeiten, ist das Gehirn reif für Kognition (etwa bei Schuleintritt).

Was bedeutet Fernsinne?

Ihre Aufgabe ist das Erleben der Umwelt.
Dazu gehören:

  1. das Sehen (visuelle Wahrnehmung)
  2. das Hören (auditive Wahrnehmung)
  3. das Riechen (olfaktorische Wahrnehmung)

Was tun, wenn Ihnen als Eltern was auffällt?
Bei Auffälligkeiten sollten zu Beginn die organischen Grundlagen abgeklärt werden (Sieht oder hört das Kind wirklich gut oder kompensiert das jeweilige Organ bereits die Probleme?). Erst danach macht es Sinn sich weiter zu informieren.
Es gibt Menschen, bei denen in der Reizweiterleitung oder der Reizverarbeitung eines bestimmten Sinnessystems Probleme entstehen.
„Anders“ wirkendes Verhalten ist die Folge.

Wahrnehmungsstörungen fassen alle Störungen in der sinnvollen Verarbeitung der im Zentralnervensystem im Gehirn eintreffenden Sinnesreize zusammen.

Da Wahrnehmungsprozesse an fast allen Verarbeitungsprozessen im Gehirn beteiligt sind und somit an allen Entwicklungsbereichen (z.B. Motorik, Sozialverhalten, Spiel- und Sprachentwicklung) mitwirken, ist das Erkennen von Wahrnehmungsstörungen ganz besonders wichtig! Ein Erfassen der Probleme bereits im Vorschulalter, gibt Zeit frühzeitig und noch vor Schuleintritt in diesen Bereichen zu arbeiten.

Wahrnehmung ist eine zentrale und grundlegende Funktion von Beginn des Lebens an. Sie bestimmt jegliches Lernen. Sie ist Grundlage aller Intelligenzfunktionen und aller so genannten Teilleistungen, wie beispielsweise der Fähigkeit zu sprechen, sich konzentrieren und schreiben zu können.

Da Wahrnehmungsleistungen an allen motorischen, geistigen und seelischen Entwicklungsvorgängen beteiligt sind, wirken sich Störungen in der Wahrnehmung auch auf alle Bereiche aus!
Wahrnehmungsstörungen können sich folgendermaßen zeigen:

  • Schwierigkeiten zu altersangemessener Konzentration
  • Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit auf das im Moment Wesentliche zu richten
  • Ungeschicklichkeit in der Grob- und Feinmotorik
  • Teilleistungsschwächen: betroffen sind einzelne Sinne oder Teilgebiete dieser (z.B. auditives Gedächtnis – das Kind kann sich Gehörtes – Reime, Gedichte – schwer merken).
  • erhöhte Stimmungslabilität und Reizbarkeit
  • auffälliges Sozialverhalten: Rückzug, Aggressivität, erhöhte Ängstlichkeit

Gleichzeitig sind gerade diese Kinder wirklich intelligent und in Bereichen wie Sprache oder Phantasie sehr begabt. Sie haben gelernt ihre Probleme geschickt zu kaschieren, haben gute Ausreden und Argumente. Manche Kinder reden sehr viel und lenken so ab, andere Kinder sagen einfach, dass sie bestimmte Dinge nicht tun wollen. Es ist nicht einfach diese leichten Störungen zu entdecken und auch absolut nicht immer notwendig.

Bei einer Besonderheit oder Abweichung sollten Sie als Eltern nicht vorschnell urteilen. Individuelle Vorlieben und Abneigungen sind oft subjektiv und normal. Erst die Anhäufung einer Problematik über einen langen Zeitraum lässt erste vorsichtige Schlüsse zu.
Ein sinnvoller Schritt wäre nun, sich professionell beraten zu lassen und Hilfe von Außen anzunehmen.

Ich arbeite mit dem Kind in jedem Fall zuerst an seinen Stärken. Jeder Mensch fühlt sich wertgeschätzt und wahrgenommen, wenn nicht gleich in seiner Schwäche „gebohrt“ wird!
Langsam wird dann begonnen im jeweiligen Bereich auf einem Niveau zu arbeiten, das gut beherrscht wird. Nächste Schritte werden zur passenden Zeit angeregt.

Dieser beschriebene Prozess bezogen auf das oder die jeweils betroffenen Sinnessysteme ist Wahrnehmungsförderung!
Der Begriff Entwicklungsförderung bezieht sich auf die gesamten Bereiche, in denen sich ein Kind entwickelt. Die motorische, die emotionale, die soziale und auch die kognitive Entwicklung sind da gemeint. All die Bereiche, welche die Gesamtpersönlichkeit des Kindes ausmachen.

Ein anderer Fachbegriff mit derselben Bedeutung ist Teilleistungsförderung beziehungsweise Teilleistungsstörung. Jedes Sinnessystem besteht aus einzelnen Teilfunktionen, die beispielsweise die Grundlage für das Lesen und Schreiben Lernen sind. So ist das beim visuellen Sinn das visuelle Erkennen, die visuelle Figur-Grund- Differenzierung, das visuelle Gedächtnis, die Serialität und vieles mehr. Der jeweilige Bereich kann konkret „bearbeitet“ werden.
Nach einiger Zeit werden deutliche Verbesserungen sichtbar. Der Prozess dauert für gewöhnlich einige Monate, in manchen umfangreicheren Fällen sogar Jahre.
Legasthenie, die Lese- und Rechtschreibschwäche bedarf je nach Ausprägungsgrad einer längeren und meist intensiven Arbeit.

(vgl. zum Text oberhalb Texte von und über Inge Flehmig, Jean Ayres: Bausteine kindlicher Entwicklung; Ulla Kiesling: Sensorische Integration im Dialog; Waltraud und Winfried Doering (Hrsg.): Sensorische Integration; Waltraud und Winfried Doering: Störe meine Kreise nicht; Informationen des Kurses „Einführung in die Sensorische Integration“ Salvenmoser/Haspel)