ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom)
Wenn von einem Kind mit auffälligem Verhalten gesprochen wird, sollte immer eine bestimmte Frage gestellt werden: Stört das Verhalten/der Zustand das Kind oder sein Umfeld (Familie, Kindergartengruppe oder andere Schulkinder)?
Toleranz und Akzeptanz für die Verschiedenheit der Menschen sollten meiner Meinung nach immer im Vordergrund stehen!
Klarheit in der Sprache, Struktur und Konsequenz machen die Rolle des Erwachsenen aus – egal ob es sich um Elternteile, Lehrer oder Therapeuten handelt.
Genaue Beobachtung des Kindes gibt wertvolle Hinweise für das weitere Vorgehen. Man kann ein Kind lediglich auf der Erscheinungsebene beobachten. Das bedeutet, man sieht nicht was das Kind tatsächlich vor hat, also machen will.
Eine Interpretation ist somit immer schwierig und braucht Zeit!
Ein erster Kontakttermin ist oft noch nicht so aussagekräftig, wie ein Zeitraum von einem Monat oder mehr.
Ursachen bei Entwicklungsproblemen und AD(H)S
Bei Entwicklungsabweichungen und –problemen kommt meistens eine Vielzahl von Ursachen in Frage. Die medizinische Forschung sieht hier auch ein Zusammenspiel einzelner Faktoren, die in Summe diese Veränderung, die zu beobachten ist, ausmachen.
Prinzipiell wird nach dem Zeitpunkt unterschieden.
Pränatale (vorgeburtliche) Ursachen können sich ebenso auswirken wie Probleme während der Geburt (perinatale) Ursachen beziehungsweise nach der Geburt (postnatal).
Mögliche Erklärungen für Hyperaktivität gehen einen Schritt weiter und lassen sich somit etwas konkretisieren.
Neben der bekannten Ursache, dass ein wichtiger Transmitterstoff für neuronale Prozesse im Gehirn fehlt, ist mangelnde Tiefenwahrnehmungsinformation ebenso ein Thema.
Diese Kinder versuchen die fehlenden Informationen durch Eigenstimulation in Form von permanenter Bewegung zu kompensieren.
Unbestritten ist auch, dass Zucker ein Vitamin-B-Räuber ist und somit für den Nervenaufbau nicht förderlich wirkt.
Auf eine gesunde, ausgewogene und vollwertige Ernährung zu achten ist auf jeden Fall ein Vorteil für das Kind in seiner Gesamtheit. Statt industriellem Zucker stellt Fruchtzucker eine gute Alternative dar. Künstliche Farbstoffe und Aromen sowie Phosphate spielen ebenso eine Rolle. Wissenschaftliche Meinungen gehen in diesem Bereich weit auseinander.
Die Ursachen liegen nie alleine beim Kind, es spielt immer die jeweilige Beziehung zu den Eltern eine große Rolle. In der Regel handelt es sich bei einer Kombination vieler Ursachen.
Wesentlicher als die Ursachensuche ist danach die Suche nach Wegen um mit der derzeitigen Situation umzugehen!
Was ist ADHS überhaupt?
ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Störung) ist wissenschaftlich betrachtet die deutsche Übersetzung des amerikanischen Begriffes ADD (Attention Deficit Disorder).
Der Störungsbereich AD(H)S wird nach dem Diagnostischen und Statistischen Manual (DSM-IV) der amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung in drei Gruppen unterteilt:
- Aufmerksamkeits-Störung mit Hyperaktivität / Impulsivität
(vorwiegend unaufmerksam und hyperaktiv / impulsiv è Mischtypus) - Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität
(vorwiegend unaufmerksam) - Hyperaktivitäts- Impulsivitätsstörung ohne Aufmerksamkeitsstörung
(vorwiegend hyperaktiv / impulsiv – diese Unterform kommt fast nie vor)
Die Leitlinien des DSM-IV geben Hinweise, wie feststellbar ist, ob ADHS vorliegt.
Dabei gab es bereits bei der Ausarbeitung der Kriterien für ADHS Grund zur Diskussion, weil keine klaren Grenzen zwischen „Normalen“ und „Konzentrationsgestörten“ oder „übermäßig aktiven“ Kindern existieren.
Daher ist für mich dieses ganze Manual auf Sinnhaftigkeit zu hinterfragen!
Die Ansichten darüber, was in diesem Bereich normal ist, können sehr stark variieren und zudem von ganz unterschiedlichen Situationen abhängen.
Von daher sind Fehldiagnosen unvermeidbar.
Zunächst einmal müssen, auch wenn diese Richtlinien befürwortet werden, bei ADHS mit und ohne Hyperaktivität mehrere Bedingungen erfüllt sein, um eine Diagnose überhaupt stellen zu können.
Aufmerksamkeitsgestörte Kinder mit Hyperaktivität zeigen Auffälligkeiten vor allem in drei Bereichen. Sie sind
- unaufmerksam, ablenkbar und wenig ausdauernd,
- motorisch unruhig und überaktiv sowie
- impulsiv und schwer steuerbar.
Als ADHS wird das Störungsbild allerdings nur dann bezeichnet, wenn die Symptomatik:
- Vor dem 7. Lebensjahr aufgetreten ist,
- länger als 6 Monate und
- situationsübergreifend besteht,
- deutliches Leiden verursacht oder eine Beeinträchtigung der sozialen und schulischen Funktionen darstellt.
(vgl. der Informationen oberhalb ab der Definition S.128f. aus Margarita und Jochen Klein: Bindung, Selbstregulation und ADS; vgl. S.14ff und S.56 Waltraud und Winfried Doering: Störe meine Kreise nicht)
In aktuellen Studien geht man inzwischen davon aus, dass circa drei bis fünf Prozent aller schulpflichtigen Kinder AD(H)S haben.
Es ist ja nicht nur das AD(H)S, das im Augenblick in Bezug auf Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten an Kindern beobachtet wird, auch in der körperlichen Entwicklung von Kindern gibt es Defizite. Es gab noch nie so viele Grundschüler, die mit Haltungsschäden und unzureichender motorischer Entwicklung eingeschult worden sind.
Oftmals ist es leider so, dass wenn kein anderer ersichtlichen Grund gefunden wird oder gefunden wollen wird, der dieses Verhalten erklären könnte, dann bleibt am Ende die Diagnose AD(H)S übrig.
Als Erziehender in Ruhe in sich zu gehen, sich Hilfe zu suchen und über mögliche Ursachen nachzudenken ist ein guter Weg. Dieser Weg ist allerdings nicht so einfach und dauert seine Zeit; aber er tut gut – den betroffenen Eltern und dem Kind!
Die Ursachen sind immer vielschichtig und auf der Erscheinungsebene, also dem Verhalten des Kindes das man sieht, schwer zu entschlüsseln.
Ein längerer Beobachtungszeitraum, eine Begleitung durch einen Professionisten sind sinnvoll!
Muss eine Diagnose gestellt werden und wem nützt sie?
Oft verlangen Eltern eine Diagnose. Nicht in erster Linie, weil sich daraus die Behandlung, die Therapie ableiten lässt, sondern weil sie etwas haben möchten, woran sie sich festhalten können. Das ist verständlich.
Manche Eltern erzählen, dass ihr Kind bereits mit bestimmten Verhaltensweisen zur Welt gekommen ist. Diese Kinder schrieen häufig und waren unruhig. Oder sie waren besonders ruhig und bewegten sich sehr wenig. Das heißt es gibt meist neben den erlernten Verhaltensweisen auch noch Verhaltensweisen, die angeboren sind.
Ein Beispiel dazu: Ein kleines Kind kann sich bei seiner Mutter nicht sicher fühlen, wenn diese selbst keine Sicherheit ausstrahlt.
Kinder müssen diese Bindungssicherheit aber unbedingt selber entwickeln!
Zum Thema Ritalin
Eine im Jahr 1995 durchgeführte amerikanische Vergleichsstudie über die Wirksamkeit von Ritalin und Kokain kam zu dem Ergebnis, dass Kokain als eine der aufputschendsten und suchterzeugendsten Missbrauchsdrogen sehr ähnliche pharmakologische Wirkungen wie Methylphendidat (Ritalin) hat, das in den USA das am häufigsten verschriebenen Psychopharmakon für Kinder sei. Allein in Deutschland stieg der Umsatz in den letzten um ein Vielfaches.
Inzwischen werden bereits sechs bis acht Millionen Kinder mit dem Psychopharmakon Ritalin zwecks Verhaltenskorrektur behandelt.
Es wurde darüber hinaus kritisiert, dass die Verschreibung von Methylphenidat für zwei bis vierjährige Kinder in den USA stark stieg und dies, obwohl bekannt sei, dass das Medikament für Kinder unter sechs Jahren ausdrücklich kontraindiziert sei.
Wie wirkt die Psychostimulantie Ritalin?
Wie alle Amphetamine hält das Medikament wach, optimiert die Aufmerksamkeit und verbessert die Selbstkontrolle. Es führt zu einer Veränderung von Wahrnehmung und Erleben.
Das Medikament führt bei hyperaktiven Kindern nur bei einem relativ kleinen Prozentsatz zu einer Steigerung der Konzentrationsleistung, allerdings nicht zu einer Stabilisierung des Verhaltens.
Das Medikament wirkt bei jedem Kind nicht immer gleich, wie dies in den gängigen Konzepten oft suggiert wird!
Als Begleit- und Nebenwirkungen des Medikamentes werden vor allem Appetitmangel und Einschlafstörungen, die Neigung zu reizbaren beziehungsweise depressiven Verstimmungen bis hin zu psychotischen Erscheinungsformen, vorübergehenden Verlangsamung des Längenwachstums und Gewichtverlustes vermerkt.
Die gängige Hypothese warum Ritalin verabreicht wird, nämlich, dass zu wenig Dopamin zu Verfügung stehe beziehungsweise das ausgeschüttete Dopamin zu schnell von den Transportern zurückgeführt werde, hat zwei Schwachstellen:
- Dopamin wirkt stimulierend, steigert also den Antrieb und macht wach. Eine Verringerung der Dopamin- Freisetzung müsste also logischerweise zu Abgeschlagenheit und Lustlosigkeit führen. Genau darüber klagen die Eltern von ADHD Kindern so gut wie nie.
- Eine verstärkte Dichte von Dopamin-Transportern kann ebenso gut Ausdruck einer erhöhten dopaminergen Innervationsdichte in den Zielgebieten sein. Immer, wenn etwas Neues, Aufregendes geschieht, müsste Dopamin freigesetzt werden.
Wie aber Studien ergeben haben, reagieren „normale“ Kinder in ähnlicher Wiese mit einer Abnahme ihrer motorischen Aktivität!
(vgl. der Ritalininformationen oberhalb S.76f. und S.92f. aus Manfred Gerspach: Vom Umgang mit schwierigen Kindern. Dieser Aufsatz befindet sich im Buch: Waltraud und Winfried Doering: Das andere ADS-Buch)
Lesen Sie mehr zum Thema unter Wahrnehmungsförderung, sowie zu Sensorische Integration.